Heißer Sommertag, mittags: Wie Camille Pissarro die Tageszeit zur Kunst macht
Erst malte er nur Palmen, denn der Vater der Impressionisten wuchs in
der Südsee auf – vielleicht haben ihn diese vielen Jahre in der Karibik
so neugierig auf Frankreich gemacht. Vielleicht hatte er so viel Sonne
gesehen, dass er ab den 1860er-Jahren in Frankreich damit beginnen
konnte, den dunklen Zauber eines Wintertages einzufangen und die trübe
Stille eines wolkenverhangenen Julitages. Ja, sehr viele von Camille
Pissarros Bildern tragen diese Bezeichnungen, er will genau benennen, zu
welcher Jahreszeit und zu welcher Tageszeit sie entstanden sind, damit
wir das Licht darauf verstehen. Und die Farben, die das Licht in der
Natur im April so anders hervorzaubert als im August.
Im neuesten Podcast "Augen zu" der ZEIT diskutieren Florian Illies und
Giovanni di Lorenzo live vor Publikum über diesen französischen
Ausnahmekünstler – und zwar im Museum Barberini in Potsdam, wo bis zum
September die große Pissarro-Ausstellung "Mit offenem Blick" zu sehen
ist, die auf beeindruckende Weise den Künstler in seiner Tiefe und
seiner Vielschichtigkeit zum Leuchten bringt.
Vielleicht war Claude Monet virtuoser, vielleicht sind seine
Kompositionen kühner – aber niemand hat so demütig auf die Welt geschaut
wie Pissarro, niemand eine so große Palette gehabt, niemand so viele
Grüntöne gesehen und gemalt wie er. Ja, wahrscheinlich ist die
Wahrhaftigkeit der Naturwahrnehmung bei keinem anderen Impressionisten
so groß wie bei diesem stillen, bescheidenen Künstler, der lange nicht
von seiner Kunst leben konnte – weil ihre Motive so pur und so
wahrhaftig sind. Er malte immer eine Natur, die von Menschenhand
verändert ist. Er zeigt die Wege, die die Felder durchziehen, die Bauern
auf den Feldern, die Nutzgärten der Menschen, oft malt er seine Frau
darin, es ist eine erdverwurzelte Kunst, die zeigen will, was ist.
Vielleicht kann man das Revolutionäre des Impressionismus an diesem
stillen und präzisen Künstler am besten erleben: die weltverändernde
Kraft des Lichts und die weltverändernde Präsenz des Menschen in der
Natur.
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