
Der alternde Kriegstreiber Europa im KI-Jahrtausend | Von Sabiene Jahn
Salim Samatou liegt im Bett, scrollt durch ein US-Strategiepapier und zeigt seiner Community, dass Washington längst im KI-Zeitalter plant, während Europa sich geistig noch im Panzerjahrhundert bewegt. Dieser Text folgt seinem Blick in die „National Security Strategy“ und fragt, warum ausgerechnet ein Comedian präziser über Krieg, KI und Europas Zukunft spricht als jene, die den Kontinent regieren.
Ein Standpunkt von Sabiene Jahn.
Es gehört zu den paradoxesten Bildern dieser Zeit: Ein junger Comedian im Hoodie sitzt vor der Kamera, scrollt durch ein US-Sicherheitsdokument, blendet Grafiken über Lieferketten für KI-Chips ein und erklärt Hunderttausenden Zuschauerinnen und Zuschauern, warum ausgerechnet die Vereinigten Staaten ein elementares Interesse daran haben, den Krieg in Europa zu beenden. Währenddessen reden in Berlin, Paris und Warschau Politikerinnen und Politiker im nahenden Pensionsalter unbeirrt von „Jahrzehnten der Aufrüstung“, „strategischer Niederlage Russlands“ und der Bereitschaft, irgendwann auch deutsche Soldaten in der Ukraine zu stationieren.
Salim Samatou, als Stand-up-Comedian groß geworden, arbeitet sich in seinen Videos durch Trumps neue „National Security Strategy“(1) , übersetzt sie in einen Mix aus Jugendslang, Szene-Humor und überraschend präziser Analyse. Dass er in der Lage ist, sicherheitspolitische Papiere nicht nur zu lesen, sondern analytisch zu zerlegen, hat biografische Gründe. Vor seiner Bühnenkarriere studierte der in Marokko geborene Samatou an der „Frankfurt University of Applied Sciences“ Internationale Wirtschaftsinformatik und absolvierte anschließend an der „Johannes Gutenberg-Universität“ in Mainz ein Masterstudium in Geschichte. Seine Community verehrt ihn genau dafür – für die Verbindung aus Fachwissen und Humor, aus akademischer Schulung und straßentauglicher Rhetorik. Er liest, kommentiert und rechnet nach. Und er stößt auf eine Diagnose, die in europäischen Leitmedien kaum vorkommt. Europa taucht in diesem Papier nicht mehr als „wertebasierter Partner“ auf. Für die USA ist der Kontinent ein „Sicherheitsrisiko“. Gleichzeitig erscheint Europa in den Augen der amerikanischen Tech-Eliten als unverzichtbarer Knotenpunkt einer globalen KI-Ökonomie, die auf Stabilität angewiesen ist und nicht auf einen neuen Flächenkrieg.
Samatou beginnt bei den nüchternen Zahlen. Die Strategie zeichnet ein Europa, dessen Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt von rund 25 Prozent im Jahr 1990 auf etwa 14 Prozent geschrumpft ist(2). Als zentrale Ursache nennt das Dokument nationale und transnationale Regulierungen, die Kreativität und Industrie lähmen. Samatou übersetzt das drastisch. Die EU sei der „größte Scheißhaufen, den die Menschheit jemals gesehen hat“(16), mit Verbrennerverbot, „Digital Services Act“ und einem Wust an Bürokratie, der die eigenen Weltmarktpositionen unterspüle. Hinter der Überzeichnung steht allerdings ein ernster Kern, dass die Regulierungen wie der "General Data Protection Regulation" (GDPR), auch positive Effekte haben könnten. Es ist die Datenschutz-Grundverordnung der EU, die seit 2018 gilt. Sie regelt den Schutz personenbezogener Daten in der EU und hat globale Auswirkungen, da sich Unternehmen weltweit daran halten müssen, wenn sie mit EU-Bürgern zu tun haben.
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