Füße hoch, Serie gucken und lecker essen: Die Sehnsuchtsleere nach Feierabend ist ein wunderbares Gefühl, sagt Dr. Udo Baer. Aber es gibt auch das Drama der Leere. Sie ist ein sehr subjektives und mitunter sehr stark empfundenes Gefühl, unter dem viele Menschen ihr Leben lang leiden. Leere kann viele Ausdrucksformen haben. Letztendlich hilft, so einfach das klingt und so schwer es ist, die Kommunikation aus der Leere heraus.
„Ich bin es nicht wert“ – das Gefühl entsteht, wenn ein Mensch nicht gehört wurde
Menschen richten sich in ihrer Einsamkeit ein. Aber was ist der Grund dafür? Es sind frühe Verletzungen, belastende Traumata, die nicht reflektiert oder vermittelt wurden. Es ist das Gefühl, nicht gehört worden zu sein. Wenn man als Kind keine Resonanz erfährt, „dann tut das weh“, so Dr. Baer über frühe Prägungserlebnisse in der Kindheit, in der das soziale und familiäre Umfeld ein Gefühl der Minderwertigkeit vermittelt haben. Aus dem Gefühl von „Ich bin es nicht wert“ erwächst ein Gefühl der Leere. Und viele Menschen resignieren. Aber: Wir sind soziale Wesen. Wir brauchen Austausch mit Worten und Gefühlen, mit Blicken und Atmosphäre.
Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat …
In einer Partnerschaft kann ebenso eine starke Leere empfunden werden. Warum haben sich Paare manchmal nichts mehr zu sagen? Das liegt an individuellen, sogar auch traumatischen Erfahrungen, die nicht richtig wahrgenommen und kommuniziert werden, sagt Baer. Leere ist nicht laut, nicht sichtbar, sie ist diffus und nicht greifbar. „Es ist gut, dafür Worte zu finden und sie auszusprechen. Wo bin ich nicht gehört worden? Diese Frage gilt es zu reflektieren und die Erfahrung zu teilen.
Kommunikation ist Beziehungswirksamkeit
Die Leere mit Aktionismus zu stopfen, über den Job oder Reisen, hilft nicht. Es ist wie eine Sucht, die Leere holt einen immer wieder ein. Doch wie kann man sie füllen? Durch Kommunikation auf allen Ebenen, sagt Dr. Udo Baer. Durch Kommunikation mit anderen und der Erfahrung, dass Menschen wirksam sind. Das kann durch Reden, Malen, Tanzen oder über die Musik geschehen, wenn wir über die Sinne in die Aktion kommen. „Dann geschieht Beziehungswirksamkeit“.
„Ich nehme dich ernst!“
Wirksam werden wir schon, wenn wir auf die Frage nach dem „Wie geht es dir?“ ernsthaft antworten. Es ist wichtig, in das Gefühl zu gehen, dem Herzen achtsam zu folgen, zu sagen und zu zeigen, dass ich mein Gegenüber ernst nehme, dass ich seinen Kummer würdige, auch wenn ich ihn davon nicht befreien kann. Auch ein vererbtes Trauma kann ein Herz leer machen. Selbstwirksamkeit, Meinhaftigkeit und Würde sind drei große Aspekte, die Dr. Baer in dem Gespräch beleuchtet. Es gibt sogar konkrete Übungen, mit denen wir unser Bewusstsein schärfen können.
Dr. Udo Baer ist Gesundheitswissenschaftler, Therapeut und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er ist Begründer der Kreativen Leibtherapie und hat mit Claus Koch das Pädagogische Institut in Berlin gegründet.
Buchtipp: „Das Drama der Leere – Wie wir der Leere begegnen und unser Herz heilen können“, Klett-Cotta 2024
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