
Batterie mit Klebeband: Werkstatt-Realität in China
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Michael Dittmar ist ein echtes Urgestein der Kfz-Branche: Seit über 40 Jahren dabei, davon 34 als selbstständiger Kfz-Meister in Bochum – und seit mehr als einem Jahrzehnt mit Elektroautos vertraut. Dass er Anfang April 2025 nach China gereist ist, hat unser Gespräch im Podcast besonders spannend gemacht. Ich wollte wissen: Was läuft dort anders – und was vielleicht sogar besser? Michael hat gleich zu Beginn klargemacht, dass China und Europa keine Frage von „weiter“ oder „zurück“ ist, sondern schlicht von anders.
In China gibt es bislang keinen funktionierenden IAM, also keinen unabhängigen Aftermarket – ein Konzept, das für uns selbstverständlich ist. Werkstätten findet man dort kaum sichtbar im Stadtbild, auch klassische Vertragshändler sucht man vergeblich. Das System läuft stark digitalisiert und zentral gesteuert ab, etwa über Super-Apps wie WeChat. Ein besonders eindrückliches Beispiel schilderte Michael aus einer Auto-Reinigung: Statt Waschanlage übernehmen dort sechs Mitarbeitende mit Schwamm und Eimer die Pflege – mit beeindruckender Effizienz. „Wenn einer krank wird, drücken drei Neue nach“, meinte Michael augenzwinkernd. Ein Bild, das deutlich zeigt: Personal ist in China (noch) kein Engpass.
Trotz dieser Unterschiede sieht Michael Europa in vielen Bereichen vorn – vor allem beim Zugang zu Reparaturdaten und Ersatzteilen. „Wir werden hier ja gefühlt geflutet mit minderwertigen chinesischen Ersatzteilen – dort ist es umgekehrt: Die kriegen oft keine Teile, und wenn, dann freuen sie sich über unsere deutschen Marken.“ Auch der Umgang mit Daten ist ein Thema: Während bei uns das „Recht auf Reparatur“ gilt, steht China hier noch ganz am Anfang. Die Regierung versucht derzeit, Hersteller zur Datenfreigabe zu bewegen – in Europa längst Standard.
Auch das Ladeverhalten ist in China völlig anders: Während wir auf Reichweite setzen, zählt dort vor allem Schnelligkeit. „Fünf Minuten von zehn auf achtzig Prozent – das ist das Ziel“, so Michael. Ein interessanter Nebeneffekt: Es gibt in China ein eigenes Werkstattangebot für Battery Balancing. Die schnelle Ladegeschwindigkeit lässt dem Batteriemanagementsystem keine Zeit zum Ausgleichen der Zellen – also wird regelmäßig nachgebessert. Doch nicht alles ist so durchorganisiert, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei einem Werkstattbesuch zeigte sich: Arbeitssicherheit und Reparaturprozesse sind dort oft improvisiert. „Da war eine Batterie mit Klebeband und Scheibenkleber zusammengebaut – das war Realität“, schildert Michael. Die Batteriehersteller schicken im Fall eines Defekts sogenannte Flying Doctors – statt die Werkstätten zu befähigen, selbst zu reparieren. Ein echtes Kontrastprogramm zu unserem System.
Trotzdem erkennt Michael auch Potenziale: „Hands-on ist gar nicht schlecht. Ich finde gut, dass man sich was traut, wo wir vielleicht überreguliert sind.“ Ein Beispiel: Battery Balancing könnte auch hierzulande eine spannende Zusatzdienstleistung sein – gerade für Vielfahrer mit älteren Akkus. Insgesamt ist für ihn klar: Europa steht gar nicht so schlecht da. „Wir sind nicht schlechter als sie – im Gegenteil. Aber wir dürfen unseren Vorsprung nicht verspielen.“ Besonders die chinesische Lernbereitschaft und Effizienz könnten uns künftig herausfordern. „Wenn die hier ausgebildet würden, die würden alles sofort umsetzen.“
Nun aber genug der Einblicke aus Fernost – hör selbst rein in unser spannendes Gespräch.
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