Warum man Experten misstrauen sollte
Ein Standpunkt von Anke Behrend.
Spätestens seit 2020 allerlei teils dubiose Maßnahmen gegen ein Atemwegsvirus verhängt worden waren, beispielsweise, dass man einen See nur im Uhrzeigersinn umrunden durfte (1), drängt sich ein Begriff vehement in den Sprachgebrauch: Die Evidenz. Doch was ist das eigentlich?
Unter Evidenz versteht man die Triftigkeit und Gültigkeit der Nachweise für eine These. Also das, was vor Gericht als Beweis gelten würde und eine Behauptung oder Vermutung unterscheidet von gesichertem Wissen beziehungsweise einer Theorie. Zu beachten ist hier, dass die Theorie im wissenschaftlichen Kontext – anders als im umgangssprachlichen Gebrauch – das am besten abgesicherte aber nicht unumstößliche Wissen darstellt. Die Evidenz beschreibt also die Qualität einer Aussage bezüglich ihrer Gültigkeit in der Realität. Für die Beurteilung von Evidenzen gibt es eine stark vereinfachte Einteilung in mehreren Stufen, die sich pyramidenförmig darstellen lassen (2). Diese Stufen stellen eine erste grobe Orientierung dar, um die Belastbarkeit einer Aussage, Studie oder Behauptung einzuordnen. Ganz unten in der Evidenz-Pyramide, auf einer Stufe mit Gutachten und wissenschaftlichen Artikeln stehen – und das wird sicher so manchen überraschen – die allseits geschätzten …
Expertenmeinungen.
Trotz dieser niedrigen Position in der Evidenz-Pyramide erfreuen sich Experten größter Beliebtheit. Manche erreichen beinahe den unantastbaren Status eines Gurus und dürfen in den entsprechenden Kreisen nicht hinterfragt werden.
Selbstverständlich kann eine Expertenmeinung den aktuellen Stand des Wissens widerspiegeln, sofern der Experte sich auf den Goldstandard bezieht, zu finden auf den oberen Treppchen der Pyramide. Allerdings, und auch das ist eine wichtige Lehre aus den vergangenen Jahren, findet sich für nahezu jede These und sei sie noch so abwegig, ein Experte, der sie mit Verve und heiligem Ernst verkündet nebst einer Gemeinde, die den Offenbarungen andächtig lauscht.
Kaum einer der sich oft fundamental widersprechenden Experten würde einräumen, bewusst und mit Vorsatz zu lügen. Auch wenn seine jeweiligen Gegenspieler das gern annehmen und unterstellen. Im Unterschied zu methodisch erhobenen Daten sind die Sicht und Meinungen von Experten subjektiv. Sie kommen nicht ausschließlich durch bloße Fachkompetenz zustande, sondern sind geprägt von Wahrnehmungsverzerrungen, Glaubenssätzen, Weltanschauungen, Erwartungen oder anderweitigen, nicht selten monetären Interessen. Überdies ist das Wissen eines Forschungsfeldes mittlerweile so umfangreich und mit angrenzenden Disziplinen vernetzt, dass kein Experte einen ausreichend fundierten Überblick haben kann, um allein mit seiner Einzelmeinung eine generell hohe Evidenz zu erreichen...
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