Vorsprung durch KI – Realitätscheck für die Rechtsabteilung
In der aktuellen Folge des Legal Tech Verzeichnis Podcast führt LTV Herausgeber Patrick Prior ein Interview mit Evgenij Friederichs-Vaskevic. Er ist Sales Executive bei Wolters Kluwer und ist verantwortlich für Legal Software im DACH Bereich. Beide sprechen zum Thema "Vorsprung durch KI – Realitätscheck für die Rechtsabteilung". Folgende Punkte wurden dabei besprochen:
1. Aktueller Stand von KI in Rechtsabteilungen
Rechtsabteilungen beschäftigen sich heute deutlich intensiver mit dem Thema KI als noch vor ein oder zwei Jahren. Während früher viele lediglich fragten, „Was kann eure KI überhaupt?“, existiert inzwischen ein spürbares Grundverständnis für Chancen und Grenzen. Dennoch kommt es weiterhin zu Enttäuschungen, weil generische KI-Modelle wie ChatGPT im juristischen Kontext halluzinieren oder unzuverlässig sind. Deshalb wächst das Bewusstsein, dass es spezialisierte, domänenspezifische KI benötigt, die auf juristische Anforderungen und Daten zugeschnitten ist.
2. Zentrale Use Cases: Vertragsprüfung, Dokumentenrecherche und Audits
KI zeigt heute besonders dort Wirkung, wo große Datenmengen und repetitive Aufgaben anfallen. Bei der Vertragsprüfung kann KI Klauseln identifizieren, Verträge vergleichen und Zusammenfassungen erstellen, sodass Juristen sich auf die finale Prüfung konzentrieren können. Auch bei der Recherche in langen Dokumenten liefert KI schnelle Antworten auf juristische Fragestellungen, was insbesondere jungen oder fachfremden Mitarbeitenden hilft. In Contract Audits können hunderte oder tausende Verträge automatisiert nach bestimmten Kriterien analysiert werden, was vorher kaum in der geforderten Zeit leistbar war. Entscheidend bleibt jedoch der „Human in the Loop“, da Juristen die KI-Ergebnisse bewerten und final freigeben.
3. Risiken durch Schatten-KI und die Bedeutung sicherer, spezialisierter Systeme
Viele Mitarbeitende nutzen aus Zeitdruck heraus ChatGPT oder ähnliche frei verfügbare Tools – oft ohne offizielle Freigabe und unter erheblichem Risiko für Datenschutz und Vertraulichkeit. Der Podcast betont daher die Notwendigkeit sicherer, europäischer und datenschutzkonformer KI-Systeme, die in die bestehende Rechtssoftware integriert sind. Domänenspezifische KI-Lösungen bieten verlässlicher nachvollziehbare Ergebnisse, da sie nur mit Unternehmens- und Rechtsdaten arbeiten und nicht unkontrolliert Informationen verarbeiten oder speichern. So wird verhindert, dass sensible Daten in externe, unbekannte Modelle gelangen.
4. Veränderungen der juristischen Rolle – KI als Entlastung, nicht als Ersatz
KI wird die Arbeit von Unternehmensjuristen spürbar verändern, jedoch nicht kurzfristig ersetzen. Sie übernimmt monotone Tätigkeiten, steigert Effizienz und ermöglicht es Juristen, sich stärker auf komplexe, strategische oder risikorelevante Aufgaben zu konzentrieren. Gleichzeitig macht der Einsatz moderner Technologien die Rechtsabteilung attraktiver für Nachwuchskräfte, die nicht mehr mit Excel-Tabellen und manuellen Workflows arbeiten wollen. KI kann zudem dazu führen, dass Rechtsabteilungen weniger externe Kanzleien benötigen, weil sie intern eine breitere fachliche Abdeckung erreichen.
5. Voraussetzungen für erfolgreichen KI-Einsatz und Ausblick auf zukünftige Entwicklung
Ein zentrales Fazit ist, dass KI nie ohne eine solide Grundlage funktioniert: strukturierte Daten, klare Prozesse und eine funktionierende Basissoftware sind unverzichtbar. Erst dann kann KI zuverlässig arbeiten und Fehler wie Halluzinationen vermeiden. Blickt man in die Zukunft, arbeiten Anbieter bereits an KI-Systemen, die plattformübergreifend funktionieren und komplexe Aufgaben wie KPI-Analysen, Prognosen oder automatische Vorbereitungen juristischer Antworten übernehmen können. Ziel ist, dass KI nicht nur reagiert, sondern proaktiv Informationen bereitstellt – ein großer Schritt hin zur strategisch denkenden, datengetriebenen Rechtsabteilung.