WC Herren #13 Weihnachten Teil II - Podcast
Der Ausdruck „Weihnachten“ geht auf eine adjektivische Wendung wîhe naht oder ze (den) wîhen nahten zurück, deren frühester Beleg sich in der Predigtsammlung Speculum ecclesiae (um 1170) findet.[3] „diu gnâde diu anegengete sih an dirre naht: von diu heizet si diu wîhe naht.“ „Die Gnade kam zu uns in dieser Nacht: daher heißt sie die heilige Nacht.“ Aus der gleichen Zeit stammen die Verse aus einem Langgedicht des bayerischen Dichters Spervogel (um 1190)[4]: „Er ist gewaltic unde starc, / der ze wîhen naht geborn wart. / daz ist der heilige Krist.“ „Er ist gewaltig und stark, der zur geweihten [geheiligten] Nacht geboren ward: das ist der heilige Christ.“ Der Ausdruck blieb dabei bis ins 13. Jahrhundert auf den oberdeutschen Bereich beschränkt und ist in den mitteldeutschen Dialekten erst seit dem Ende jenes Jahrhunderts als wînahten belegt. Daneben begegnet christtag als Synonym im mitteldeutschen Raum von Thüringen und Oberhessen über Westfalen bis nach Luxemburg und Lothringen. Im Mittelniederdeutschen finden sich stattdessen zunächst die Wörter kersnacht „Christnacht“ und kerstesmisse „Christmesse“ (vgl. englisch Christmas), erst ab 1340 winachten (m.). Im östlichen Norddeutschland hat sich das mnd. jûl noch in neuerer Zeit als Jul erhalten.[3]
Das Adjektiv althochdeutsch und altsächsisch wîh, mittelhochdeutsch wîch wird über germanisch *wīʒja, wīhaz ‚heilig, geweiht, numinos‘ aus der indogermanischen Wortwurzel *ueik ‚aus-, absondern, weihen‘ abgeleitet und ergab im Neuhochdeutschen ein inzwischen ungebräuchliches weich ‚heilig‘. Seinerseits von diesem Adjektiv wurde das schwache Verb wîhen (ahd. und mhd. gleichlautend, von germanisch *wīʒjan, wīhijaną) und schließlich das neuhochdeutsche weihen abgeleitet. Eine Substantivierung des Adjektivs ergab altsächsisch und althochdeutsch wîh ‚Tempel‘, altenglisch wēoh, wīg ‚Götterbild‘ und altnordisch vē ‚Heiligtum, Tempel, Gerichtsstätte‘ (vgl. die nordische Gottheit Vé). Darüber hinaus ist wîh vermutlich mit lateinisch victima ‚Opfertier‘ und altlitauisch viešpilas ‚heiliger Berg‘ verwandt.[5] Das zweite Wortglied nahten knüpft zum einen an die alte Zeiteinteilung vom Tag mit Beginn der Nacht an (vgl. englisch fortnight „vierzehn Tage“), zum anderen verweist der Plural auf mehrere Feiertage – vielleicht mit Bezug auf die altkirchliche Tradition der „zwölf Weihnachtstage“ vom 25. Dezember bis Epiphanias am 6. Januar. Das zusammengesetzte Wort kann also mit „heilige Nacht“, beziehungsweise eher als „die heiligen Nächte“ übersetzt werden.
Verschiedene Autoren äußerten die Vermutung, dass der Name vorchristlichen Ursprungs sei. In seiner Chronik „aller Teutschen Völcker“ (1538) erörterte der lutherische Publizist Sebastian Franck die Herkunft des Titels Pontifex Maximus, der „von den Heyden inn das Christenthumb ist kommen / wie auch die Faßnacht / Weinnacht“ und weitere mehr.[6] Die Brüder Grimm gehen in ihrem Deutschen Wörterbuch von der Existenz eines „mehrtägigen mittwinterfests“ der heidnischen Germanen aus, das sie insbesondere durch Beda Venerabilis belegt sehen, der vom Weihnachtsfest geschrieben hatte: „ipsam noctem nunc nobis sacrosanctam tunc gentili vocabulo módra nect i. e. matrum noctem appellabant“ („dieselbe Nacht, die für uns heute die allerheiligste heißt, benannten die Heiden damals mit dem Namen módra nect, d. h. Nacht der Mütter“).[7] Die resultierende „mutternacht“ verbanden die Lexikographen dann in freilich spekulativer Weise mit dem polytheistischen Kult der matronae oder matres.[8] In den Zusammenhang dieses Festes stellen die Grimms auch die in Teilen der Germania, darunter auch der niederdeutsche Raum, ererbte Bezeichnung Jul.[9] Für eine vorchristliche Etymologie spreche zudem sowohl das verwendete Adjektiv wîh, das kaum in christlichen Gebrauch übergegangen sei, als auch der zweite Wortteil nahten, der auf die mit der Nacht beginnende Zählweise der Tage bei den Germanen verweise.[10]